Fünfter Jahrestag des Brandanschlags: Vertrauen in den Rechtsstaat verloren

Am 1. Februar 2018 wurden Ferat Koçak und seine Eltern Opfer eines rechten Brandanschlags, den sie nur mit viel Glück überlebt haben.

 

Mit den psychologischen Folgen haben Koçak und seine Eltern immer noch zu kämpfen:

"Ich sehe immer noch viel zu oft das Feuer vor meinen Augen und durchlebe die Minuten des Anschlags. Auch für meine Mutter und meinen Vater ist das nach wie vor schwer belastend. Diese Nacht hat uns aus dem Leben gerissen!"

Zum fünften Jahrestag sieht Koçak wenig Fortschritte bei der Aufarbeitung des gesamten "Neukölln-Komplex", wie die rechte Terrorserie im Bezirk genannt wird. Mit Burak Bektaş und Luke Holland gibt es wahrscheinlich zwei Todesopfer, neben dem Anschlag auf Koçak gab es weitere Brandanschläge, wie bspw. in der selben Nacht auf den Buchhändler Heinz Ostermann, sowie zahlreiche Sachbeschädigungen, Morddrohungen und rechte Markierungen. Die Aufklärung und die juristische Aufarbeitung verlaufen seit jeher skandalös.

Koçak dazu:
"Ich habe jedes Vertrauen in den sogenannten Rechtsstaat verloren. Ein Verfassungsschutz, dertrotz klarer Hinweise nicht vor dem Anschlag gewarnt hat und nichts zur weiteren Aufklärung beiträgt, obwohl die beiden Hauptverdächtigen zur Tatzeit unter Beobachtung standen. Polizisten, die mit den Hauptverdächtigen persönliche Beziehungen pflegten, ein ehemals verantwortlicher Staatsanwalt, der sich mit der AfD gemein macht und eine Richterin, die meine Betroffenheit anzweifelt: Antifaschismus und Antirassismus geht nur von unten, das können wir nur selber tun!"

Zwar ist der parlamentarische Untersuchungsausschuss ein Erfolg des jahrelangen Drucks von antifaschistischen Initiativen, trotzdem erwartet sich Koçak nur wenig Aufklärung über die systematischen Probleme bei Staatsschutz, Polizei und Justiz:
"Es gab zu viele sogenannte Pannen, Ausrutscher und Ermittlungsfehler, als dass ich noch an einzelne Fehler glauben würde. Es gibt ein systematisches Problem mit Rassismus und Nazis in den sogenannten Sicherheitsbehörden, gegen welches wir im Parlament und außerhalb weiterkämpfen werden. Die Nazis, die mich und meine Eltern beinahe ermordet hätten, hatten keinen Erfolg: Ich habe mich nicht einschüchtern lassen und bin nach wie vor antirassistisch und antifaschistisch aktiv und werde das auch bleiben!"

Zum Jahrestag des Anschlags gibt es eine gemeinsame Diskussion am 1. Februar 2023 mit Ferat Koçak und Heinz Ostermann  um 20 Uhr im Cafe Karanfil, Weisestraße 3, 12049 Berlin.

Am 7. Februar 2023 endet vermutlich außerdem der Gerichtsprozess mit einem Urteilsspruch gegen den zweiten Hauptverdächtigen. Beginn der Gerichtsverhandlung ist um 9.30 Uhr im Amtsgericht Tiergarten - Turmstraße 91. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschist*innen, hat um 8.30 vor dem Gericht eine Kundgebung angemeldet, auf der Ferat Koçak und andere Betroffene sprechen werden.