Gewollte Provokation - Bericht zur parlamentarischen Beobachtung der Kundgebung "Beats against the genocide"
Die Veranstaltung “Beats against genocide”, organisiert um junge Menschen und die HipHop Szene auf die Situation in Gaza und Palästina und die deutsche Beteiligung an Kriegsverbrechen aufmerksam zu machen, reihte sich ein in die schier endlose Liste der Angriffe gegen die Versammlungsfreiheit beim Thema Palästina in Berlin.
Die geplante Kundgebung war den sogenannten Sicherheitsbehörden ab dem Zeitpunkt der ersten Anmeldung ein Dorn im Auge. Das bewies schon die Auseinandersetzung um den Versammlungsort: Die Veranstalter*innen planten hierfür den Hermannplatz, der für die palästinensische Community und solidarische Personen eine große Bedeutung hat. Immer wieder wurde dort gegen Krieg und Besatzung demonstriert, aber auch immer wieder war dort die Repression am stärksten. Bereits im ersten Kooperationsgespräch zweifelte die Polizei den Versammlungsort an, allerdings mit der letztlich fadenscheinigen Begründung des angeblich mangelnden Platzangebots. Während die Veranstalter mit 300 Teilnehmer*innen planten, ging die Polizei vorgeblich von 1.000 aus und signalisierte, dass die Versammlungsbehörde dem Hermannplatz nicht zustimmen würden und argumentieren gar mit der Verkehrsbehinderung, die wiederum aus Sicht der Veranstalter*innen niemals der Grund für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit sein darf. Protest ist per se eine Unterbrechung des normalen Gangs der Dinge. Die Veranstalter*innen schlugen schließlich dennoch den Reuterplatz vor, um bezüglich der genannten Gründe ein Entgegenkommen zu zeigen. Letztlich teilte die Versammlungsbehörde den Südstern zu. Das Platzangebot dort ist deutlich kleiner als am Hermannplatz, die Übersichtlichkeit ist durch die U-Bahnhaltestelle und mehrere stark befahrene Straßen, die dort zusammenkommen, enorm eingeschränkt. Die Polizei machte aber auch keinen Hehl mehr aus den vorgeschobenen Gründen des Platzmangels und der Verkehrssicherheit. Mit dem Versammlungsbescheid erreichte die Veranstalter*innen eine viele Seiten lange Begründung, warum der Hermannplatz aus politischen Gründen und der örtlichen Nähe zur Sonnenallee nicht erlaubt wird. Da die Veranstalter*innen natürlich trotzdem an einer Durchführung der Versammlung interessiert waren, wurde mit krasser Kurzfristigkeit der Ortswechsel akzeptiert und angekündigt.
Vor Ort wurde dann schnell klar, dass die Polizei im Vergleich zum Kooperationsgespräch und auch im Vergleich zum Versammlungsbescheid unabgesprochene Änderungen vornahm. Dazu gehörte unter anderem die ansatzlose Videoüberwachung ab Beginn der Versammlung. Wie bei jeder Versammlung mit Bezug zu Palästina, musste zu Beginn der Versammlung diskriminierende Auflagen verlesen werden, die unter anderem das Verbot des Verbrennens von Fahnen und Puppen verbietet, Handlungen, die sowieso verboten sind, aber implizit dem erwartenden Publikum unterstellt wird.
Nur wenige Minuten nach Beginn der Versammlung, beim Auftritt des ersten Music-Acts eskalierte die Polizei die Situation: Nachdem ein laut Polizei “strafrechtlich relevanter” Satz von der Bühne gerufen wurde, stürmten mehrere Polizist*innen sofort und ohne jegliche Vorwarnung den Bereich um die Bühne und nahmen den Verdächtigen brutal fest und verletzten mehrere Umstehende. Das Grundsätzlich vorgeschriebene mildere Mittel, um das Versammlungsrecht für alle teilnehmer*innen zu schützen, wurde somit übergangen. In Folge des heftigen Eingreifens der Polizist*innen wurde die Musikanlage, das Mischpult und das Mikrofon unbenutzbar. Das führte auch dazu, dass die provozierten und aufgebrachten Teilnehmer*innen von Seiten der Versammlungsleitung nicht mehr angemessen erreicht werden konnten. In der hochgeschaukelten Situation nach dem Eingreifen der Polizei wurde von drei bis vier Personen „Takbīr“ und “Hamas, Hamas” skandiert, was ich auch in Anwesenheit der Presse als problematisch bezeichnet habe und ergänzte, dass dies aber auch gleich mit “Free, Free Palestine” der klaren Mehrheit der Versammlung übertönt wurde. Um die Situation zu beruhigen versuchte der Versammlungsleiter in Absprache mit weiteren Veranstalter*innen die Polizei davon zu überzeugen, bis zum Eintreffen eines Ersatzes für die Musikanlage die Veranstaltung nicht aufzulösen. Erst nach zwanzig Minuten war die Polizei bereit, ihre eigenen Lautsprecherwagen zu nutzen, um die Auflagen für eine Fortsetzung der Versammlung klarzumachen. In der Zwischenzeit wurden immer wieder Menschen unter brutalem Einsatz aus der Versammlung festgenommen. Unter anderem wurde dabei einer Frau mit Hijab selbiger heruntergezogen. Als Reaktion auf das aggressive Vorgehen der Polizei flogen dann aus dem Protest heraus auch Plastikflaschen, die von der Presse erwähnten Glasflaschen konnte ich selbst nicht beobachten. Unter diesen erschwerten Bedingungen wurde von Seiten der Veranstalter*innen so schnell wie möglich ein Megaphon und eine Lautsprecherbox herangeschafft und die Versammlung in sehr abgespeckter Version bis zum Ende gegen 21 Uhr durchgeführt und durch die Versammlungsleitung beendet. Doch auch dann war der Ärger nicht beendet. Bereits kurz vor Ende der Veranstaltung wurde von der Polizei angekündigt, dass es Teilnehmer*innen nicht erlaubt sei, in Richtung Hermannplatz die Veranstaltung zu verlassen. Faktisch war es nur möglich, den Südstern in Richtung Mehringdamm und Urbanstraße zu verlassen, gleichzeitig war die Aufforderung, dass dies nicht in größeren Gruppen passieren dürfte. Die Polizei erschwerte so selbst eine friedliche Auflösung, weil Leute teils schlichtweg nicht ohne enorm große Umwege den Weg nach Hause antreten konnten.
Die aufgeheizte Stimmung zwischen Demonstrierenden und Polizei hat sich über die letzten Monate durch brutales Agieren der Polizei und Demonstrationsverbote aufgebaut. Das Versammlungsrecht muss für alle gelten und darf auch nicht durch das Vorgehen der Polizei sabotiert werden.